Ketzerische Fragen zum Begriff der Arbeit (26. Januar 2010 � Walter)

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Warum tat der Mensch spätestens seit der industriellen Revolution, aber eigentlich schon vorher, alles, um schwere, schmutzige, repetitive, gefährliche, krankmachende, stupide und mühsame Arbeit mit Hilfe von Werkzeugen und Maschinen zu erleichtern oder gar zu ersetzen? Und nun, wo er darin eine gewisse Meisterschaft erlangt hat, wird ihm das nicht zum Segen, sondern zum Fluch.
Was läuft da falsch? Denn mit Hilfe von Werkzeugen und Maschinen wurde und wird eine unglaubliche Steigerung der wirtschaftlichen Wertschöpfung erreicht. Würde man das ausrechnen, käme man auf eine astronomisch anmutende Zahl allein zum Beispiel in den letzten fünfzig Jahren. Doch dieser „Mehrwert“ ist nur zu einem kleinen Teil dort angekommen, wo er auch geschaffen wurde. Eigentlich sind es nur ein paar Brosamen, gerade genug, um die Mäuler zu stopfen und Murren zu verhindern, und oft genug reicht es nicht einmal dafür. Der ganze astronomische Rest floss auf die Konten von relativ wenigen, die zur rechten Zeit auf den 1.-Klass-Zug der grenzenlosen Bereicherung aufgesprungen sind.
 
Doch der astronomische Mehrwert, der geschaffen wurde und wird, ist auch die Gewähr, dass es für alle Menschen genug hat – zwar nicht für ihre Gier, aber für ihre Bedürfnisse (Mahatma Gandhi). Weltuntergangsphantasien (zur Dezimierung der Weltbevölkerung) und Überbevölkerungs-Scheinargumente halte ich deshalb für Augenwischerei – im besten Falle. Denn solche Phantasien und falschen Argumente entbinden den Menschen quasi automatisch von der Verantwortung für menschlichere Verhältnisse und Strukturen. Und das ist das letzte, was wir brauchen können.
 
Ist es nicht so, dass sich Lohnarbeit von Sklavenarbeit nur in Nuancen unterscheidet, aber nicht dem Wesen nach?
 
Und solange Tätigkeit (Arbeit) und Einkommen nicht voneinander getrennt sind, wird sich daran nichts ändern. Denn der Mensch braucht Einkommen, weil er materielle Bedürfnisse hat, die er nicht ignorieren kann. Ohne diese wäre die Freiheit des Menschen ein Pappenstiel. Die Verknüpfung von Arbeit und Einkommen macht ihn zum Sklaven dieses Umstands – und damit zum Sklaven derjenigen, die ja eigentlich froh sein müssten, dass es Menschen gibt, die ihr Talent und ihre Schaffenskraft in den Dienst ihrer Projekte stellen. Im Westen ist das Sklaventum der Lohnarbeiter (noch) mit einem gewissen Wohlstand und Versatzstücken politischer Freiheit übertüncht, im ganzen Rest der Welt ist das Sklaventum breiter Bevölkerungsschichten offenbar, ja schreiend.
 
Dass das Verhältnis zwischen den sogenannten Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist (und deshalb die Bezeichnung „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ auch höchst irreführend), ist eine alltägliche Erfahrung. Man stelle sich nur vor, die sogenannten Arbeitgeber müssten die Arbeit selber ausführen, weil sie niemanden finden, der sich ihrer erbarmt … Es ist deshalb nicht einzusehen, weshalb – von der Sache her – zwischen beiden nicht ein freies Verhältnis auf gleicher Augenhöhe herrschen soll. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde dazu bestimmt etwas beitragen.
 
Und wer behauptet, der Mensch leiste nur etwas, wenn er bezahlt wird, vergisst den riesigen Beitrag der Freiwilligenarbeit ans Funktionieren des Experiments Menschheit. Die rein wirtschaftliche Tätigkeit (gegen Lohn oder Bezahlung) nimmt sich dagegen höchstwahrscheinlich wie ein Klacks aus.
 
Geht uns wirklich die Arbeit aus?
 
Wenn ich mich umschaue, so entdecke ich an allen Ecken und Enden die Notwendigkeit, dass Menschen anpacken und sich engagieren. Und die Möglichkeiten dazu sind riesig, eigentlich unbegrenzt. Man stelle sich nur mal vor, das eigene wirtschaftliche Auskommen sei gesichert (z.B. durch ein bedingungsloses Grundeinkommen) und man suche eine Tätigkeit, die einem entspricht! Unter dieser Voraussetzung könnte man aus dem Vollen schöpfen. Man mache die Probe auf Exempel:
 
Angebote für Freiwilligenarbeit in Deutschland: http://bagfa.de/
 
Angebote für Freiwilligenarbeit in der Schweiz: http://www.freiwilligenjob.ch/
 
Angebote für Freiwilligenarbeit in Österreich: http://www.ulf-ooe.at/node4,17,links.html/
 
Selbstverständlich: Diese Arbeit, die früher von Menschenhand getan wurde und heute von Maschinen erledigt wird, diese Arbeit geht uns aus. Wen wunderts? Ist ja klar – und seit Menschengedenken so gewollt. Dass aber immer mehr produziert und konsumiert werden soll, damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden, halte ich für einen überdrehten Wahn. Und es wundert mich, wie viele in diesem Wahn gefangen sind. In der sogenannt Dritten Welt (die ja Teil unserer einen Welt ist) sieht das alles natürlich etwas anders aus. Doch das wäre dann wieder ein eigenes Thema.
 
Braucht, wer arbeitet, eine Entschädigung?
 
Der Lohn einer Tätigkeit wird oft als Entschädigung angeschaut. Wie wenn, wer arbeitet, einen Schaden hätte! Ein sehr viel sinnvolleres Konzept ist für mich das der Freistellung: Wenn ich eine (berufliche) Tätigkeit ausübe, so ist es sinnvoll, dass ich nicht gleichzeitig oder in meiner Freizeit auch noch Kartoffeln pflanzen, meine Schuhe reparieren und womöglich noch ein Dach über den Kopf bauen muss. Das Einkommen, ob bedingungslos oder nicht, muss mir deshalb den Rücken freihalten, damit ich mich überhaupt der beruflichen Tätigkeit widmen kann. Ich werde durch das Einkommen freigestellt, das zu tun, was ich am besten kann.
 
Ist Arbeit eine Ware?
 
Wenn ich nur schon das Wort „Arbeitsmarkt“ höre, dreht sich mir der Magen um und wie ein Echo klingt „Sklavenmarkt“ in meinen Ohren nach. Arbeit ist keine Ware, ebensowenig wie Boden eine Ware ist. Beides kann nicht konsumiert werden. Und es ist eigentlich unlogisch, unsachgemäss, wenn beides wie eine Ware behandelt wird – und natürlich Grund für unendliches Elend und Leid der Menschen. Arbeit und Einkommen neu zu denken, ist deshalb dringend notwendig und womöglich eine Frage des Überlebens der Menschheit. Das bedingungslose Grundeinkommen ist dazu ein wichtiger Schritt.
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